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Regeln & Gebote

Warum darf ich keine Kanadier besitzen?

»Ewige« Regeln oder einfach nur Willkür?

Seit über 20 Jahren geistert ein Brief durchs Web, der von einem Unbekannten an eine US-Moderatorin geschrieben wurde, die in ihrer Sendung moralische Bevormundung und Homophobie ausgelebt hatte. Heutzutage erledigt so etwas vor allem »Fox News«.

lächerlicher Bibel-Prediger weiß was sein Gott will

Hier aber zunächst der Wortlaut des Briefes:

»Liebe Dr. Laura,

Vielen Dank, dass Sie sich so aufopfernd bemühen, den Menschen die Gesetze Gottes näher zu bringen. Ich habe einiges durch Ihre Sendung gelernt und versuche, das Wissen mit so vielen anderen wie nur möglich zu teilen.

Wenn etwa jemand versucht, seinen homosexuellen Lebenswandel zu verteidigen, erinnere ich ihn einfach an das Buch Mose 3, Leviticus 18:22, wo klar gestellt wird, dass es sich dabei um ein Gräuel handelt. Ende der Debatte.

Ich benötige allerdings ein paar Ratschläge von Ihnen im Hinblick auf einige der speziellen Gesetze und wie sie zu befolgen sind,

a) Wenn ich am Altar einen Stier als Brandopfer darbiete, weiß ich, dass dies für den Herrn einen lieblichen Geruch erzeugt (Leviticus 1:9). Das Problem sind meine Nachbarn. Sie behaupten, der Geruch sei nicht lieblich für sie. Soll ich sie niederstrecken?

b) Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21:7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie?

c) Ich weiß, dass ich mit keiner Frau in Kontakt treten darf, wenn sie sich im Zustand ihrer menstrualen Unreinheit befindet (Leviticus 15:19-24). Das Problem ist, wie kann ich das wissen? Ich habe versucht zu fragen, aber die meisten Frauen reagieren darauf pikiert.

d) Leviticus 25:44 stellt fest, dass ich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche als auch weibliche, wenn ich sie von benachbarten Nationen erwerbe. Einer meiner Freunde meint, das würde auf Mexikaner zutreffen, aber nicht auf Kanadier. Können Sie das klären? Warum darf ich keine Kanadier besitzen?

e) Ich habe einen Nachbarn, der stets am Samstag arbeitet. Exodus 35:2 stellt deutlich fest, dass er getötet werden muss. Allerdings: Bin ich moralisch verpflichtet, ihn eigenhändig zu töten?

f) Ein Freund von mir meint, obwohl das Essen von Schalentieren, wie Muscheln oder Hummer, ein Gräuel darstellt (Leviticus 11:10), sei es ein geringeres Gräuel als Homosexualität. Ich stimme dem nicht zu. Können Sie das klarstellen?

g) In Leviticus 21:20 wird dargelegt, dass ich mich dem Altar Gottes nicht nähern darf, wenn meine Augen von einer Krankheit befallen sind. Ich muss zugeben, dass ich Lesebrillen trage. Muss meine Sehkraft perfekt sein oder gibt es hier ein wenig Spielraum?

h) Die meisten meiner männlichen Freunde lassen sich ihre Haupt- und Barthaare schneiden, inklusive der Haare ihrer Schläfen, obwohl das eindeutig durch Leviticus 19:27 verboten wird. Wie sollen sie sterben?

i) Ich weiß aus Leviticus 11:6-8, dass das Berühren der Haut eines toten Schweines mich unrein macht. Darf ich aber dennoch Fußball spielen, wenn ich dabei Handschuhe anziehe?

j) Mein Onkel hat einen Bauernhof. Er verstößt gegen Leviticus 19:19, weil er zwei verschiedene Saaten auf ein und demselben Feld anpflanzt. Darüber hinaus trägt seine Frau Kleider, die aus zwei verschiedenen Stoffen gemacht sind (Baumwolle/Polyester). Er flucht und lästert außerdem recht oft. Ist es wirklich notwendig, dass wir den ganzen Aufwand betreiben, das komplette Dorf zusammen zu holen, um sie zu steinigen (Leviticus 24:10-16)? Genügt es nicht, wenn wir sie in einer kleinen, familiären Zeremonie verbrennen, wie man es ja auch mit Leuten macht, die mit ihren Schwiegermüttern schlafen? (Leviticus 20:14)

Ich weiß, dass Sie sich mit diesen Dingen ausführlich beschäftigt haben, daher bin ich auch zuversichtlich, dass Sie uns behilflich sein können. Und vielen Dank nochmals dafür, dass Sie uns daran erinnern, dass Gottes Wort ewig und unabänderlich ist.

Ihr ergebener Jünger und bewundernder Fan

Jake«

Als würde dieser Brief nicht schon an sich die ganze Lächerlichkeit des Bullshits entlarven, so findet er sich vielfach abgedruckt auf Seiten der Gläubigen.

Warum?

Ganz einfach: Wer will sich schon gern der Lächerlichkeit preisgeben? Fanatiker tun sich damit erfahrungsgemäß besonders schwer, denn die haben absolut Null Humor, weil Minderwertigkeitskomplexe per se keinen Spott und keine Ironie ertragen lassen (s. § 166 StGB).

Das macht wiederum den »gemäßigten« Gläubigen schwer zu schaffen und so kommt es (mal wieder) zu regelrechten Disputen darüber, wessen Bullshit denn der »richtige« ist. Googeln Sie mal »Brief an Laura Schlessinger« und Sie finden sich umgehend mitten im Religionsunterricht wieder!

Von den vielen Quellen, die diesen Brief zitieren, habe ich die Seite der »Evangelischen Brüder-Unität«, eine der unzähligen christlichen Untergruppen/Kirchen/Sekten, ausgesucht, weil sie den »modernen«, freundlichen, scheinbar kompromissbereiten Duktus derjenigen Missionare wiedergibt, die ihren Bullshit doch nicht so gern mit »Feuer und Schwert« verbreiten möchten. Deshalb lautet ihr Fazit zu dem Wahnsinn aus der Bibel auch: Christliche Gebote müssen »relativiert« und dem »Zeitgeist« angepasst werden (https://www.roedelsee-evangelisch.de/vom-richtigen-umgang-mit-der-bibel-homosexualitat-und-andere-grauel).

Also keine Kanadier als Sklaven? In Deutschland ja sowieso nicht. Das wären nach der Bibel dann vermutlich Niederländer oder Tschechen. Oder Schweizer.

Hinter solchen Rückzugsgefechten steckt allerdings nichts anderes als der überhaupt nicht relativierte und keinem Zeitgeist angepasste Kern des Bullshits, denn es ging noch nie um den Inhalt von Regeln, sondern ihre Befolgung. Es ging und geht vor allem um Gehorsam. Da man einem nicht existierenden Gott nur schwer gehorchen kann, übernehmen die »Befehlsgewalt« eben dessen (selbsternannte) »Vertreter« …

… und jetzt raten Sie mal, wer sich wohl für die »Relativierung« und die »Anpassung an den Zeitgeist« zuständig fühlt!

Genau – die Vertreter. Alter Wein in Schläuchen, deren Gebrauchsspuren auch nur noch schwer zu kaschieren sind.           

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