Goetterriege
Widerstand & Hilfe

Wie komme ich da raus?

Bin mal kurz austreten …

Ist es nun Anteilnahme oder Ätschibätschi? Auf jeden Fall gibt es einige Veröffentlichungen über die Vorstellung der Mitgliederstatistik der evangelischen Kirche, aber ich finde es besonders putzig, nachfolgend aus »katholisch.de« (https://katholisch.de/artikel/53050-neuer-rekordwert-evangelische-kirche-verliert-mehr-mitglieder-denn-je) zu zitieren:

»Die evangelische Kirche hat im vergangenen Jahr in Deutschland erneut mehr als eine halbe Million Mitglieder verloren. Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstag in Hannover mitteilte, gehörten ihr zum Stichtag 31. Dezember 2023 rund 18,6 Millionen Menschen an. Das entspricht einem Rückgang von rund 593.000 und 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Damit erreichte der Mitgliederverlust einen Rekordwert. Rund 21,9 Prozent der deutschen Bevölkerung sind demnach noch Mitglied einer der 20 evangelischen Landeskirchen (2022: 22,7 Prozent). Auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer sanken im Jahr 2023, und zwar um 5,3 Prozent auf gut 5,91 Milliarden Euro.

Grund für den Mitgliederschwund sind Kirchenaustritte und Sterbefälle. Im zweiten Jahr infolge lag die Zahl der Kirchenaustritte über der der Sterbefälle. Die Zahl von 380.000 Kirchenaustritten veränderte sich nicht im Vergleich zum Vorjahr, die Zahl der Sterbefälle sank 2023 leicht um 25.000 auf 340.000. Die Austrittsrate stieg erneut leicht auf 1,98 Prozent und erreicht dadurch ebenfalls einen Rekord. Die Zahl der Taufen und Wiedereintritte konnten den Trend nicht stoppen: 140.000 Menschen wurden 2023 getauft, 20.000 Menschen traten in die evangelische Kirche ein. (epd)«

380.000 Menschen traten aus, 20.000 Verwirrte traten ein und 140.000 Kleinkinder wurden zwangseingetreten. Macht ein Minus von 220.000. Würde sich das linear fortsetzen, ist zumindest schon einmal dieser Spuk in knapp 85 Jahren vorbei. Man wird ja wohl noch hoffen dürfen!

Um reinzukommen, muss man ja bekanntermaßen überhaupt nichts tun … außer vielleicht, ein bisschen herumschreien und sich dabei in die Windel kacken.

Rauskommen ist ungleich schwieriger:

»Kirchenaustritt: Der Austritt aus einer Kirche oder aus einer sonstigen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft öffentlichen Rechts mit Wirkung für den staatlichen Bereich (z. B. Wegfall der Kirchensteuerpflicht, Wechsel der Konfession) ist durch Kirchenaustrittsgesetze der Länder geregelt. Er erfolgt durch Erklärung bei der zuständigen Behörde, i.d.R dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erklärende seinen Wohnsitz hat. Die Erklärung kann mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Amtsgerichts oder schriftlich in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Der Erklärende muss sich bei einer mündlichen Erklärung durch Vorlage eines gültigen Personalausweises ausweisen; sonstige Ausweispapiere reichen ggf. nur in Verbindung mit einer aktuellen Meldebescheinigung aus.

Der Austritt kann von Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und nicht geschäftsunfähig sind, selbst erklärt werden, auch gegen den Willen des gesetzlichen Vertreters. Für Kinder unter 14 Jahren und Geschäftsunfähige erfolgt die Erklärung durch die gesetzlichen Vertreter, denen das Sorgerecht zusteht. Jedoch können nach dem Gesetz über religiöse Kindererziehung die gesetzlichen Vertreter ab dem zwölften Lebensjahr den Austritt nicht gegen den Willen des Kindes erklären. Die Zustimmung zum Austritt kann nur das Kind selbst abgeben.

Das Amtsgericht erteilt eine Austrittsbescheinigung. Der Austritt wird mit Ablauf des Tages wirksam, an dem die Niederschrift über die mündliche Erklärung unterzeichnet oder die Erklärung in schriftlicher Form bei dem Amtsgericht eingegangen ist.« (https://www.justiz.nrw.de/BS/recht_a_z/K/Kirchenaustritt/index.php)

Wenn Sie Pech haben, können Sie lange auf einen Termin warten!

Kirchenaustritt

Außerdem kostet es auch noch Geld.

In NRW: »Für den Kirchenaustritt wird eine Gebühr von 30 EUR erhoben.« (ebd.)

»Der Kirchenaustritt ist in den meisten Bundesländern nicht kostenlos. In Niedersachsen beispielsweise kostet die Kündigung dieses unmündig geschlossenen Vertrags 25 Euro. Trotz Austritt bleiben viele Fragen offen. Warum finanziert der Staat immer noch Bischofsgehälter und die religiösen Ausbildungen? Warum gibt in sozialen Einrichtungen der Kirchen nicht das allgemeine Arbeitsrecht die Regeln vor? Warum fördert das Steuerrecht heute überhaupt noch die zunehmende Delegation staatlicher Aufgaben an Kirchen – trotz des rapiden Schwundes bei den Mitgliederzahlen? Bei vielen wichtigen Aufgaben wie Bildung und Pflege stellt sich die Frage, warum die Religion überhaupt mit im Spiel sein muss. Ich möchte später nicht auf ein Altersheim in kirchlicher Trägerschaft angewiesen sein.« (Katharina Nocun, in: https://hpd.de/node/17933)

Können Sie denn etwas falsch machen, wenn Sie aus einem Verein austreten, mit dem Sie aus vielen guten Gründen lieber nichts mehr zu tun haben wollen? Gefährden Sie womöglich Sozialleistungen, wenn sie den doch so bettelarmen Kirchen künftig keine Kirchensteuer mehr zahlen?

»Die Kirchen in Deutschland und Österreich befürchten für die Zukunft einen Rückgang bei den Einnahmen aus Kirchensteuer (Deutschland) oder Kirchenbeitrag (Österreich) – auch wenn diese bis zuletzt in beiden Ländern gestiegen sind. Dies wiederum veranlasst sie und ihre unterinformierten Sprachrohre in den Medien, mit dem Entfall von sozialen Leistungen an die Allgemeinheit zu drohen. Dies ist falsch. Die Öffentlichkeit profitiert auch finanziell von Kirchenaustritten, und es ist eine politische Aufgabe, die frei werdenden Mittel in bessere, weil von den Kirchen unabhängige soziale Einrichtungen zu stecken. (…)

Bei viel zu einfacher Betrachtung (also wenn man nicht weiß, wie Steuern funktionieren) wäre das ein plausibles Szenario. Die Kirche, die einen gewissen Betrag zum Betrieb einer Einrichtung zugeschossen hat, um dort die Mitarbeitenden diskriminieren und zum Beispiel Kinder indoktrinieren zu können, „müsste“ damit aufhören. Die Gemeinde oder der Staat, die den Großteil der Kosten getragen haben, müssten in Zukunft noch mehr zahlen. Und wir wissen ja alle, wie angespannt die Budgets der öffentlichen Hand sind, das geht ja gar nicht. Soweit die viel zu simple Rechnung.

In der Realität haben die Kirchensteuerzahlungen drei Beteiligte: Die zahlende Person, die Kirche und den Staat.

Beim Austritt erspart sich die zahlende Person Kirchensteuer oder -beitrag. Dieses Geld kann sie so ausgeben, wie sie möchte – etwa auch für Spenden oder andere soziale Zwecke, also beispielsweise den Kindergarten. Dahinter steht aber keine bekannte Systematik, daher betrachten wir es hier nicht.

Die Beträge, die die Kirche erhält, sind verringert um die Kosten zur Eintreibung: In Deutschland um einen gewissen Anteil der Steuerzahlung, der an den Staat geht; in Österreich um die Kosten des Betriebs der Kirchenbeitragsstellen.

Beim Staat wird es interessant. Sowohl Deutschland als auch Österreich ermöglichen das Absetzen der gezahlten Kirchensteuer oder -beiträge von der Einkommenssteuer (in Österreich nur bei Pflichtbeiträgen, eine klare Diskriminierung jener Religionsgesellschaften, die keine Pflichtbeiträge erheben). Das ist eine mögliche Steuereinnahme, die dem Staat entgeht. Der Austritt bewirkt also, dass nicht nur die austretende Person, sondern auch der Staat mehr Geld hat. Die Frage ist also nur, ob das reicht, um die vielbeschworenen „sozialen Leistungen“ der Kirchen zu kompensieren. (…)

Fazit für Deutschland: In keinem Bereich (EKD, verschiedene Bistümer) konnte ein Anteil von mehr als 22 Prozent der Kirchensteuereinnahmen für die viel diskutierten Leistungen an die Öffentlichkeit gefunden werden. Die Ausgaben der Kirchen für diese Zwecke bleiben also überall deutlich unter dem Anteil, den der Staat an Mehreinnahmen hat, wenn Kirchensteuerzahlungen durch Austritte entfallen. (…)

Jeder Kirchenaustritt befreit Geld in der Geldbörse der ehemaligen Mitglieder, ein kleiner Teil davon geht als höhere Steuereinnahmen an den Staat. Alle, die den Kirchenaustritt wegen der „sozialen Leistungen“ und der „Wohltätigkeit“ aufgeschoben haben, können den Schritt beruhigt machen: Das Geld ist da, sogar mehr als vorher, komplett unabhängig von eigener Wohltätigkeit.(…)« (aus: Balázs Bárány, Die Mär vom sozialen Kahlschlag durch Kirchenaustritte, in: https://hpd.de/artikel/maer-sozialen-kahlschlag-durch-kirchenaustritte-21489)

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