Bockwurst
Macht & Privilegien

Darf ich eine Bockwurst anbeten?

Narrenfreiheit gilt nicht überall

Vor Jahren schon kam mir die Idee, mir eine Bockwurst um den Hals zu hängen und damit z.B. in die Apotheke zu gehen, wo eine nette Dame mit Kopftuch arbeitete. Da die sicher nichts dazu gesagt hätte, wäre es dann vielleicht andernorts in der Öffentlichkeit dazu gekommen, dass man mich darauf angesprochen hätte. Dann hätte ich gesagt: „Ich glaube an die sprechende Bockwurst, denn es gibt keinen Gott außer Meica und Böklunder ist sein Prophet.“

Kopfschüttelnd hätte man mich vielleicht darauf aufmerksam gemacht, dass Bockwürste gemeinhin nicht sprechen können. Dann hätte ich geantwortet: „Zu Ihnen wohl nicht – zu mir aber schon. Gott hat schließlich auch mit Moses gesprochen und ihn zum GRÖBAZ (Größter Bademeister Aller Zeiten) gemacht, der daraufhin Meere teilen konnte und Jesus hat erst kürzlich zum Tischler Viehhauser gesprochen, der daraufhin Priester wurde und jetzt sogar ein Dr. ist. So berichtet es uns das katholische Fernsehen.“

„Ja, sicher – Gott und Jesus; die … äh … den … gibt es ja auch wirklich und das hört man ja gelegentlich, dass Menschen dessen … äh … deren Stimme hören können und manche machen dann ganz seltsame Sachen, aber Bockwürste?! Die haben doch gar keinen Sprechapparat und sind außerdem … mausetot.“

„Tot? Noch nie was von der Wiederauferstehung gehört? Das Cocktailwürstchen ist zum Himmel heraufgefahren und wacht nun als der Dicke Sauerländer über uns. Und überhaupt: Beweisen Sie doch erstmal, dass Bockwürste nicht sprechen können! Der Umstand, dass Sie keine verstehen, ist ja wohl kaum ein Beweis!“

Warum habe ich das nicht gemacht? Wegen des Geruchs. Man sollte Bockwürste lieber nicht der Sonneneinstrahlung aussetzen.

Hätte ich es denn machen dürfen?

Natürlich; es sei denn, ein religiöser Fanatiker hätte sich auf seinen Bullshit-Schlips getreten gefühlt und mich angegriffen. Dann hätte sich allerdings nicht der, sondern ich womöglich nach § 166 StGB strafbar gemacht, aber dieses Thema gehört an einen anderen Ort.

Heute geht es nämlich um Art. 4 GG, der gerne leicht verfälschend als Garantie für „Religionsfreiheit“ verstanden wird, obwohl es richtigerweise „Bekenntnisfreiheit“ heißen müsste, da Art. 4 GG nicht nur die Freiheit der Religion, sondern auch die Freiheit von der Religion garantiert.

Zurück zur Bockwurst! Hätte ich glaubhaft machen können, dass das Tragen einer Bockwurst Ausdruck meines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses ist, wäre dies von Art. 4 I GG verfassungsrechtlich geschützt. Hätte ich überdies das öffentliche Zurschaustellen der Bockwurst als Ausübung meiner Bockwurstreligion deklariert, hätte mir mit Verfassungsrang, nämlich Art. 4 II GG, die Ungestörtheit meiner Religionsausübung zugestanden. Noli me tangere, wenn ich mit meiner heiligen Bockwurst kommuniziere! Aber hallo! „Sie (die Glaubensfreiheit, d. Verf.) umfasst … auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten.“ (BVerfGE 32,98 unter Verweis auf BVerfGE 24, 236, 245)

Darf denn somit jeder Spinner machen, was er will?

Mitnichten.

Da Art. 4 GG nicht nur die Freiheit des religiösen, sondern auch des areligiösen oder gar antireligiösen Bekenntnisses garantiert, urteilte das BVerfG im Jahre 2020 (Beschluss vom 14.01.2020 – 2 BvR 1333/17): „Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet die Freiheit, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben.“

Ich hätte also meine rituelle Bockwurst tragen dürfen, aber nicht da, wo ich damit die Bekenntnisfreiheit anderer Menschen verletzt hätte, also beispielsweise nicht als bockwursttragender Richter im Gerichtssaal, denn da hätte gegolten, was z.B. auch für eine kopftuchtragende Schöffin erst jüngst vom OLG Hamm unter Az. 5 Ws 64/24 geurteilt wurde: „1. § 2 Abs. 1 Justizneutralitätsgesetz untersagt es Schöffinnen, während der Hauptverhandlung ein Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen. 2. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 JNeutrG NW ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (Anschluss an VG Arnsberg, Beschluss vom 9. Mai 2022 – 2 L 102/22 –, juris). 3. Die Weigerung einer Schöffin, ihr Kopftuch während der Gerichtsverhandlung abzunehmen, stellt keine gröbliche Amtspflichtverletzung im Sinne von § 51 Abs. 1 GVG, sondern eine (sonstige) Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamtes im Sinne von § 52 Nr. 1 GVG dar.“

Ergo: Kein Kopftuch auf der Richterbank und auch keine Bockwurst! Aber Kruzifixe im Gerichtssaal in Bayern, kruzifixnochamoal! Nach dem Motto: „Solange sich niemand beschwert, frönen wir munter dem Bullshit“, aber wenn doch, dann muss der Schmarrn weg (BVerfGE 35, 366). Auch in Bayern.

Mit dem Kopftuch-Zeug musste sich zwischenzeitlich sogar schon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigen. Ergebnis: Andere Menschen mit religiösen Symbolen zu belästigen, ist kein Menschenrecht. Puh! (vgl. Kurz, Peter: Kein Kopftuch auf der Richterbank, in: HPD, 10.06.2024)

Fazit: So, wie ich das Recht gehabt hätte, meinen Bockwurst-Bullshit zu verbreiten, so hätten Nicht-Bockwurstgläubige das Recht gehabt, meiner Bockwurstverehrung fernzubleiben … und was für den Dicken Sauerländer gilt, hat auch für Allah, das fliegende Spaghettimonster und den lieben Gott Bestand. Ansonsten wäre das Recht nämlich dem vorbehalten, der am lautesten seinen Bullshit in die Welt hinausposaunt und/oder das größte und schärfste Messer in der Hand hält. Das hieße dann wohl: Gottesstaat. Hallelujah, Allahu akhbar oder Heil dem zarten Saitling!

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