Regeln & Gebote

Wie wird man eilig heilig?

Der Kult um zwielichtige Gestalten

»Allerheiligen (lateinisch Sollemnitas Omnium Sanctorum) ist ein christliches Hochfest, an dem aller Heiligen gedacht wird, der ›verherrlichten Glieder der Kirche, die schon zur Vollendung gelangt sind‹. (…) In den katholisch geprägten Kantonen der Schweiz (siehe Feiertage in der Schweiz) und den katholisch geprägten deutschen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie in Österreich und Liechtenstein ist Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag und wird am 1. November begangen; außerdem in den folgenden Staaten: Belgien, Andorra, Frankreich, Italien, Kroatien, Luxemburg, Litauen, Monaco, Osttimor, Polen, Portugal, San Marino, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn, Peru, Vatikanstadt und den Philippinen.« Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Allerheiligen#Allerheiligen_als_gesetzlicher_Feiertag ; letzter Aufruf: 30.11.2024

Der vollendeten Kirchenglieder wird also in »katholisch geprägten Gegenden« gedacht. Angesichts der Tatsache, dass z.B. in Deutschland nur noch 24 % der Bevölkerung in der katholischen Kirche organisiert sind (s. Grafik in »Sinn«), muss es sich hierbei wohl um eine Art praktizierten Minderheitenschutz handeln. Feiern müssen nämlich nicht nur die Vereinsmitglieder, sondern dieser »stille« gesetzliche Feiertag gilt für alle – auch Nichtkatholiken. »In den genannten deutschen Bundesländern ist Allerheiligen ein sogenannter stiller Feiertag. Das heißt, dass an diesem Tag keine öffentlichen Tanzveranstaltungen durchgeführt werden dürfen und laute Musik verboten ist.« Quelle: wie vor

»Ach, egal«, mögen Sie sagen, »Hauptsache, nicht arbeiten. Höre ich eben mal Bach statt Stones und nicht tanzen zu dürfen, stört mich nicht, weil ich sowieso ein Bewegungshorst bin. Sollen die Katholiken doch von mir aus ihre Heiligen verehren!«

So viel Toleranz würde ja beinahe für einen eigenen Heiligenstatus sprechen, aber so einfach ist das natürlich nicht. Da könnte ja sonst jeder kommen und eilig heilig werden. Nein, da muss man sich an Regeln halten: »Am Beginn einer Selig- und Heiligsprechung steht der Antrag einer Diözese oder Ordensgemeinschaft beim Vatikan. Sodann muss ein sogenannter Postulator (zu Deutsch ›Forderer‹) biografische Informationen, Schriften der Person sowie schriftliche und mündliche Zeugnisse von Zeitgenossen sammeln. Diese Akten werden dann bei der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse eingereicht. Nach weiteren Prüfungen, unter anderem durch Bischöfe und Kardinäle, liegt die letzte Entscheidung beim Papst, der die Heiligsprechung dann vornimmt. Wunder spielen dabei eine wichtige Rolle. Handelt sich nicht um einen Märtyrer, also um eine Person, die für ihren Glauben gestorben ist, muss im Zusammenhang mit dem zukünftigen Seligen oder Heiligen ein Wunder geschehen sein.« Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/86-heiligsprechung ; letzter Aufruf: 30.11.2024

Aha, ein Wunder! Bevor Sie jetzt falsche Annahmen treffen – die wundersame Vermehrung von Pilzen in Ihrem feuchten Keller gilt ebenso wenig wie (für den Fall, dass sie männlich sind) Ihre erstaunliche Fähigkeit, mit der Zungenspitze die eigenen Testikel zu erreichen. Was ein Wunder ist, entscheidet natürlich die Kirche – nach strengen Kriterien (s. »Ja, ist es denn ein Wunder?«). Heiliggesprochen werden natürlich nur ganz besonders verehrungswürdige Menschen wie Fanat … äh … Märtyrer, die für ihren Glauben gestorben sind oder solche nahezu übernatürlichen Helden, die ein echtes Wunder bewirkt haben.

Schauen wir uns doch mal ein paar Beispiele derart verehrungswürdiger Leute, wegen denen Sie und ich am 01. November eines jeden Jahres in »katholischen Gegenden« die Musik leiser stellen müssen, an:

Heiliger Augustinus (254-430): Glühender (sic!) Befürworter der Folter, dessen öffentliche Fantasien jedem heutigen Sadisten Schnappatmung bereiten würden.

Heiliger Kyrill von Alexandria (380-444): Anstifter und Auftraggeber des bestialischen Mordes an der Mathematikerin Hypatia (s. »Identität« und »Filmtipps«)

Heiliger Kaiser Heinrich II., genannt »der Fromme« (973-1024): Plünderer von Pavia, Massenmörder in Polen und Nordböhmen, berüchtigt als skrupelloser Gewalttäter

Heiliger Anselm von Canterbury (1033-1109): Frauenhasser – Zitat: »Nichts Schändlicheres gibt es als das Weib, durch nichts richtet der Teufel mehr Menschen zugrunde als durch das Weib.«

Heiliger Bernhard von Clairveaux (ca. 1090-1153): Hassprediger, Anstifter zu den Kreuzzügen, Befürworter von Völkermord

Heiliger Franz von Assisi (1181-1226): Frauenhasser – Zitat: »Wer mit dem Weib aber verkehrt, der ist der Befleckung seines Geistes ausgesetzt.«

Heiliger Petrus von Verona (ca. 1205-1252): Inquisitor von Como und Mailand, Folterer und Mörder

Heiliger Thomas von Aquin (1225-1274): »Kirchenlehrer«, Befürworter der Hinrichtung von Andersgläubigen, Frauenhasser – Zitat: »Die Frau ist ein misslungener Mann. (…) Der wesentliche Wert der Frau liegt in der Gebärfähigkeit und in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen. (…) Mädchen entstehen durch schadhaften Samen.«

Heiliger Giovanni de Capistrano (1386-1456): Schutzheiliger der katholischen Rechtsanwälte, Inquisitor, Erfinder der Kleidermarkierung von Juden, ließ 1453 41 jüdische Bürger von Breslau öffentlich verbrennen und organisierte weitere Pogrome gegen Juden ab 1454

Heiliger Karl Borromäus (1538-1584): Inquisitor, ließ 1583 im schweizerischen Misoxertal in Graubünden zehn Frauen und einen Mann bei lebendigem Leib verbrennen

Heiliger Junípero Serra (1713-1784): Franziskanerpater, Völkermörder, ließ Angehörige indigener Stämme in den USA in Missionslagern, Todeslager genannt, misshandeln, vergewaltigen und durch Zwangsarbeit, Krankheiten und Unterernährung umbringen; 2015 von Papst Franziskus heiliggesprochen

Heilige Mutter Teresa (1910-1997): Ordensgründerin, genannt »Todesengel von Kalkutta« oder auch »Spardose des Vatikans«; das von ihr organisierte System wird heute oft als »organisierte unterlassene Hilfeleistung« bezeichnet; 2016 von Papst Franziskus im Eilverfahren heiliggesprochen – hat einen eigenen Blogbeitrag verdient, der bei Gelegenheit folgt

Diese kleine Auswahl aus einer viel größeren Liste von üblen Gestalten, Folterern, Mördern und Sadisten sollte m.E. aus dem »Feiertag« einen »Gedenktag« machen lassen – zum Andenken an die zahllosen Opfer dieser »Heiligen«. Dafür würde ich auch gern die Musik leiser stellen und aufs Tanzen verzichten.

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