Regeln & Gebote

Was ist ein Jude?

Ursprünge des Hasses

Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland ein gesetzlich verankerter Gedenktag. »Er ist als Jahrestag bezogen auf den 27. Januar 1945, den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und der beiden anderen Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs. Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust wurde der 27. Januar von den Vereinten Nationen im Jahr 2005 erklärt. Inzwischen wird der Gedenktag auch in vielen Staaten Europas begangen.«

(Quelle: Wikipedia,  https://de.wikipedia.org/wiki/Tag_des_Gedenkens_an_die_Opfer_des_Nationalsozialismus ; letzter Aufruf: 27.01.2025)

Gedacht wird an diesem Tage aller Opfer des Nationalsozialismus; mithin also allen, die von den Nazis als deren Gegner bzw. Feinde deklariert und umgebracht wurden. Unter den millionenfachen Opfern dieses Menschheitsverbrechens waren vor allem – aber nicht nur – Juden.

Um zu begreifen, wie die Mechanismen wirken, die zu diesem beispiellosen Massenmord geführt haben, ist es wichtig, sich den Charakter eines Feindbildes zu vergegenwärtigen. Die Ablehnung und Vernichtung Andersdenkender ist nämlich kein Alleinstellungsmerkmal der Nazis. Der ehemalige Nazi-Sympathisant und spätere Regimegegner Niemöller hat das in seinem berühmten Zitat gut veranschaulicht:

»Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.

Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.«

https://encyclopedia.ushmm.org/content/de/article/martin-niemoeller-first-they-came-for-the-socialists ; letzter Aufruf: 27.01.2025

Als ihren »Hauptfeind« hatten die Nazis »den Juden« ausgemacht. Damit befanden und befinden sie sich bis heute in »bester« Gesellschaft.

Aber wer ist denn überhaupt dieser Jude?

Um zu verstehen, worum es dabei wirklich geht, hilft es, sich zunächst einmal klarzumachen, was Juden nicht sind.

Juden sind keine Rasse

Die Aufteilung der Menschen in Rassen ist nur etwas für Rassisten, also für kleine Schwachköpfe, die den eigenen Wert dadurch zu erhöhen suchen, dass sie eine Gruppe von angeblich Minderwertigen konstruieren. Das ist ebenso dumm wie erbärmlich und entbehrt wissenschaftlicher Grundlagen so sehr wie der Glaube daran, dass die Erde eine Scheibe ist, dass man mit Verdünnen und Schütteln Substanzen wirksamer machen kann oder dass »Eliten« in unterirdischen Höhlen das Blut kleiner Kinder trinken, um ewige Jugend zu erhalten. Letzteres hat allerdings durchaus etwas mit Antisemitismus zu tun, aber dazu später mehr.

»Die vorrangig biologische Begründung von Menschengruppen als Rassen — etwa aufgrund der Hautfarbe, Augen- oder Schädelform — hat zur Verfolgung, Versklavung und Ermordung von Abermillionen von Menschen geführt. Auch heute noch wird der Begriff Rasse im Zusammenhang mit menschlichen Gruppen vielfach verwendet.

Es gibt hierfür aber keine biologische Begründung und tatsächlich hat es diese auch nie gegeben. Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung.«

aus: Jenaer Erklärung https://de.wikipedia.org/wiki/Jenaer_Erkl%C3%A4rung ; letzter Aufruf: 27.01.2025

Kriminalbiologe und Forensiker Dr. Mark Benecke über angebliche Rassen und Kriminalbiologie im „dritten Reich“

Juden sind nicht der Staat Israel

Deshalb sind nicht alle Einwohner Israels Juden (20 % sind Araber). Vor allem sind nicht alle Einwohner Israels religiöse Fanatiker, aber das ist ein anderes Thema. Richtig ist jedoch, dass die Gründung des Staates Israel zum Schutz von Juden erfolgt ist.

»Die politische Philosophie hinter der Staatsgründung Israels heißt ›Zionismus‹. Ihre zentralste Vision lieferte Theodor Herzl im ›Judenstaat‹. Der Zionismus vertritt die Überzeugung, Juden aufgrund von jahrhundertelanger Demütigung, Verfolgung und institutionalisiertem Massenmord eine schützende nationale Heimstätte zu bieten. In Auschwitz fand die antisemitische Raserei mit sechs Millionen ermordeten Juden ihren katastrophalen Höhepunkt.«

https://hpd.de/artikel/hamas-bricht-feuerpause-grundsaetzliches-israels-ueberlebenskampf-gegen-den-terror-21812 ; letzter Aufruf: 27.01.2025

The flag of Israel in Yad LaShiryon, Latrun, Israel
דגל ישראל ב“יד לשריון“, לטרון, ישראל

Wenn also heute der Staat Israel mehrheitlich von Menschen bewohnt wird, die sich selbst als Juden bezeichnen, so hat dies historische Gründe, die jedoch weit älter sind als der Holocaust, denn das heutige Staatsgebiet Israels (und Gebiete weit darüber hinaus) wurde früher von einer Vielzahl heterogener Stämme besiedelt. Darunter befanden sich auch die Hebräer, auf die sich die Einwohner Israels in ihrer Identität als »Volk« (im Unterschied zum »Staatsvolk« des Staates Israels, das – s.o. – auch z.B. Araber umfasst) bis heute berufen.

»Die historische Region Palästina liegt an der südöstlichen Küste des Mittelmeeres. Sie bezeichnet ein Gebiet, auf dem sich heute der Staat Israel, der Gazastreifen, das Westjordanland, Teile Syriens, des Libanon und Jordaniens (das Ostjordanland) befinden.

Schon in der Altsteinzeit gibt es Spuren von Siedlungen in dieser Gegend. Ca. 9000 v. Chr. wurde Jericho gegründet. In der Bronzezeit (3300 v. Chr.) bevölkerten die Kanaaniter das Land. Die heutige palästinensische Nationalbewegung beruft sich gerne auf die Kanaaniter als vermeintlich direkte Vorfahren der heutigen Palästinenser. Hierbei handelt es sich jedoch um einen pseudo-historischen Mythos.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. ist erstmals von ›Hebräern‹, einer frühen Bezeichnung für Angehörige des Volkes Israel, die Rede. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts v. Chr. tauchen die aus dem ägäischen Raum stammenden Philister auf, Angehörige der sogenannten Seevölker. Danach regierten die Israeliten, die Assyrer, die Babylonier und die Perser das Land. Es folgten Alexander der Große, Ptolemäer, Seleukiden, Römer und Byzantiner.

Im Jahr 637 nach Christus eroberten Muslime Jerusalem. Zwischen 687 und 717 entstanden auf dem Tempelberg (Haram al-Scharif) in Jerusalem Felsendom und al-Aqsa-Moschee – an jenem Ort, an dem sich bis zu seiner Zerstörung durch die römische Armee 70 n. Chr. einst der (jüdische) Herodianische Tempel befunden hatte, und von dem aus später nach islamischer Auffassung der muslimische Prophet Mohammed zu seiner Himmelsreise aufgebrochen sein soll. Jerusalem gilt damit nach Mekka und Medina als drittwichtigste heilige Stätte des Islam. Ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. gab es neben einer jüdischen und einer christlichen somit auch eine muslimische Präsenz in Palästina.«

https://www.lpb-bw.de/geschichte-palaestinas#c22239 ; letzter Aufruf: 27.01.2025

Wichtig ist, in diesem Zusammenhang festzustellen: Einen Staat Palästina hat es nie gegeben. Wenn also heute kleine, verhaltensauffällige Mädchen aus Schweden in trauter Eintracht mit testosterondurchfluteten Hirnis, die sich gern über paradiesische Jungfrauen hermachen würden, die »Befreiung« Palästinas und die Vernichtung Israels (»from the river to the sea«) fordern, dann ist das kein Schrei nach Gerechtigkeit, sondern schlichter Antizionismus und meistens nur erbärmlicher Antisemitismus.

»Viele Gründe sprachen dafür, den Staat der Holocaust-Überlebenden im historischen Palästina zu errichten. Schon immer lebten Juden in diesem Gebiet und die geschichtlichen Wurzeln des Judentums seien dort zu finden. Außerdem, so dachte man, befindet sich Israel auf genügend Sicherheitsabstand zum judenfeindlich durchtränkten, mit Trauma verbundenen Europa. Also sah der UN-Teilungsplan von 1947 einen jüdischen Staat und einen palästinensisch-arabischen Staat im seinerzeit britischen Mandatsgebiet ›Palästina‹ vor. Die Mehrheit der Juden akzeptierte den Plan. Die arabische Seite lehnte den Zwei-Staaten-Plan ab.«

https://hpd.de/artikel/hamas-bricht-feuerpause-grundsaetzliches-israels-ueberlebenskampf-gegen-den-terror-21812 ; letzter Aufruf: 27.01.2025

Wenn es also gar keinen Staat Palästina gab, den man von israelischer Besatzung befreien muss – gibt es dann einen Grund für einen islamischen Antisemitismus, der älter ist als z.B. der Zorn über die illegale, weil völkerrechtswidrige Siedlungspolitik der rechtsreligiösen Regierung Israels im Jahr 2025?

Judentum ist eine Religion

Unter den insgesamt ca. 6.000 Göttern gibt es einen, den die Juden erfunden haben. Dieser entspricht weitgehend dem des (später verfassten) Alten Testaments der Christen und wird nicht nur als besonders schlimmer Psychopath und Massenmörder beschrieben, sondern aufgrund der Sage des Abraham als »abrahamitischer« Gott bezeichnet. Von Abwandlungen und Ergänzungen (Jesus bei den Christen, Mohammed bei den Muslimen) abgesehen, beten Juden, Christen und Muslime daher einen dem Grunde nach gleichen Gott an, weshalb man bei Judentum, Christentum und Islam von den »abrahamitischen Religionen« spricht.

Der jeweilige Alleinstellungsanspruch solcher monotheistischen Religionen, die alle behaupten, eine für alle Menschen (auch die jeweils Anders- oder Ungläubigen) gültige »Wahrheit« zu besitzen, führt grundsätzlich nicht zu einer Einigkeit z.B. bei der Verehrung ihres Gottes, sondern zu einem Hauen und Stechen, wessen Religion denn nun die »richtige« ist … bzw. wessen Machtanspruch der »wahre«. Daraus entspringen Hass, Verfolgung, Gewalt und Mord. Die »judäische Volksfront« und die »Volksfront von Judäa« sind die Synonyme, die Monty Python dazu in »Das Leben des Brian« (s. Filmtipps) gewählt haben, aber die Wirklichkeit ist überhaupt nicht lustig. Christen und Juden, Christen und Muslime, aber auch Katholiken und Protestanten, Schiiten und Sunniten … die Liste des gegenseitigen Abschlachtens ist lang. Sie wird erst enden, wenn sich niemand mehr den Bullshit als »Wahrheit«, nach der das eigene Leben auszurichten ist, verkaufen lässt, aber das ist ein anderes Thema. Hier geht es um den konkreten Hass.

Der Judenhass der Muslime

»Um die erste Frage nach den ideengeschichtlichen Wurzeln zu beantworten, muss das Bild von den Juden in der Frühgeschichte des Islam thematisiert werden. Dies ist bedeutsam, weil sich Islamisten eben auf diese Frühgeschichte des Islam berufen und daraus die Grundlagen ihres eigenen Politikverständnisses ableiten.

Im Koran werden die Juden zwar auch als Vertreter einer ›Buchreligion‹ positiv gesehen. Ein negatives Bild überwiegt aber. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie den Bund mit Allah und den Muslimen gebrochen hätten (z.B. Sure 4, 46; Sure 4, 155; Sure 5, 13). Juden gelten als betrügerisch und untreu (z.B. Sure 2, 100; Sure 3, 78, Sure 4, 161, Sure 9, 34).

Der Grund dafür ist nach der islamischen Überlieferung im Konflikt von Mohammed mit jüdischen Stämmen zwischen 624 und 627 zu sehen. In Medina wollte er Juden für seinen Glauben gewinnen und machte dazu auch Zugeständnisse an die Juden. Doch die Meisten blieben ihrem Glauben treu, was Mohammed enttäuschte und seine Abneigung gegen Juden erklärt.

Der Begründer des Islam führte auch Kriege gegen drei jüdische Stämme, die er alle gewann. Bei den ersten beiden Stämmen wurde den Juden der Besitz abgenommen und sie mussten emigrieren. Beim dritten Stamm wurden die Frauen und Kinder versklavt und um die 600 Männer hingerichtet.«

https://hpd.de/artikel/antisemitismus-im-islamismus-14987 ; letzter Aufruf: 27.01.2025

Der Judenhass der frühen Christen

»Woher stammt der Hass der frühen Christen auf die Juden, obwohl Jesus und die frühen Christen Juden waren? Der Hauptgrund liegt darin, dass die toratreuen Juden Jesus nicht als Messias anerkannten und die Christen aus ihren Synagogen ausschlossen. Damit praktizierten die Christen eine öffentlich nicht zugelassene Religion (religio illicita) und verloren alle staatlichen Privilegien – im Gegensatz dazu blieben toratreue Juden vom Staat geschützt (religio licita) und mussten keine Kaiseropfer darbringen.

Im Zuge dieser Auseinandersetzungen begannen christliche Prediger gegen toratreue Juden zu hetzen; sie bezeichneten sie als ›Söhne des Teufels‹ (Johannes 8,33), auf denen der Zorn Gottes liege. Zwar blieben die Juden – auch nachdem das Christentum ab 381 nach Christus zur römischen Reichsreligion wurde – weiterhin vom Staat geschützt, christliche Theologen predigten jedoch über Jahrhunderte gegen sie und christliche Fanatiker zerstörten ihre Synagogen (Kallinikon). Da, im Gegensatz zu den Klerikern, christliche Bauern, Handwerker und Händler weiterhin eng mit Juden zusammenarbeiteten, verboten Bischöfe Gastmähler und Eheschließungen zwischen Christen und Juden und Rabbis durften nicht mehr christliche Felder segnen. Im Jahr 1215 beschlossen die römischen Bischöfe (Lateran IV), dass Juden keinen Besitz an Grund und Boden haben dürfen, getrennt von Christen siedeln und zudem an ihren Kleidern (Judenfleck) als Juden erkennbar sein müssen. Als Handwerker und Händler konnten sie allerdings weiterhin tätig bleiben und ihr Geld gegen feste Zinsen verleihen. Diese bischöflichen Gesetze führten dazu, dass Juden zu Spezialisten der Geldwirtschaft wurden, wobei hasserfüllte Prediger (zum Beispiel Georg Ratzinger) und andere Antisemiten bis heute immer wieder behaupten, Juden würden mit ihrem Geld die Welt beherrschen.«

https://hpd.de/artikel/neuer-antisemitismus-17719 ; letzter Aufruf: 25.01.2025

Der Judenhass begann bei Paulus und Johannes im Neuen Testament und setzte sich bei den Patres aevi apostolici, den ihnen in der kirchlichen Lehre nachfolgenden »Apostolischen Vätern« nahtlos fort.

vgl. Deschner, Karlheinz: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 1, S. 124 ff., Reinbek b. Hamburg, 7. Aufl. 2010

So schrieb der diesen zugerechnete Bischof von Antiochien, Ignatius,  im 2. Jhdt., die Juden hätten »die Gnade nicht empfangen« und seien »Sauerteig«, der »weggeschafft« werden müsse.

vgl. ebenda, S. 126

Auch später umgesetzte Handlungsempfehlungen wurden bereits von den frühen »Kirchenvätern« abgegeben. »Die Kirchenlehrer Ambrosius von Mailand (339-397) und Hieronymus (347-419) zielten (…) auf eine Vernichtung des Judentums und legten damit die Grundlage für die judenfeindlichen Gesetze der römischen Kaiser in der Spätantike.«

https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/bpb_307_neu_13_optimiert_0.pdf ; S. 6, letzter Aufruf: 29.01.2025

Anbrosius: »Ich erkläre, dass ich die Synagoge in Brand gesteckt habe (…), damit kein Ort mehr sei, wo Christus geleugnet wird.«

Der Judenhass der späteren Christen

Der vorläufige Höhepunkt des Judenhasses spiegelt sich in den folgenden Aussagen aus dem 16. Jhdt. wider:

»Dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke und das, was nicht verbrennen will, mit Erden überhäufe und beschütte, dass kein Mensch ein Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solches soll man tun unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien.«

https://www.deutschlandfunk.de/reformationsjubilaeum-wie-umgehen-mit-luthers-judenhass-100.html ; letzter Aufruf: 29.01.2025

»Man soll auch ihre Häuser zerstören. Stattdessen mag man sie unter ein Dach oder in einen Stall tun wie die Zigeuner. (…) Man soll den Juden das freie Geleit auf den Straßen verbieten, denn sie haben nichts im Land zu suchen. (…) Man nehme ihnen alle Barschaft und Wertsachen wie Silber und Gold.«

aus: Luther, Martin: Von den Juden und ihren Lügen, im heutigen Deutsch mit Originaltext, 2. Aufl., Aschaffenburg 2016

»Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücken führen, einen Stein um den Hals hängen, ihn hinabstoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams.«

Tischreden, Nr. 1795

Vorgenannte Aussagen stammen von Martin Luther, Begründer des Protestantismus und Hassprediger. Sein Hass traf nicht nur Juden, sondern auch Frauen und behinderte Kinder, aber das war in derartigen Kreisen ja keine Besonderheit.

Seine Fans versuchen bis heute, ihn damit zu verteidigen, dass Luther ja gar kein Antisemit, sondern »nur« ein Antijudaist und sein Hass also »lediglich« religiös, aber nicht rassistisch motiviert gewesen sei. Das ist natürlich auch wieder nur Bullshit, wie nachfolgendes Zitat beweist:

»Das israelische Blut ist vermischt, unrein, verwässert und verwildert worden. (…) Dieser trübe Bodensatz und stinkender Abschaum, dieser verschimmelte Sauerteig und sumpfige Morast von Judentum sollte die Erfüllung des Messias verdient haben, aber doch nichts weiter ist als ein fauler, stinkender, verrotteter Bodensatz vom Blut ihrer Väter«

wie vor; Luther, Martin: Von den Juden und ihren Lügen

Dagegen klingt das folgende Zitat ja fast schon »theologisch«:

»Aus dem ursprünglichen eigenen Wesen aber kann der Jude eine religiöse Einrichtung schon deshalb nicht besitzen, da ihm ja der Idealismus in jeder Form fehlt und damit auch der Glaube an ein Jenseits vollkommen fremd ist. (…) Sein Leben ist wirklich nur von dieser Welt und sein Geist ist dem wahren Christentum zum Beispiel innerlich so fremd, wie sein Wesen es zweitausend Jahre vorher dem hehren Gründer der neuen Lehre selber war.«

https://rfb.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/rfb.bildung-rp.de/Evangelische_Religion/Sasse/Materialien/Ausgewaehlte_antisemitische_Passagen_1.pdf ; letzter Aufruf: 29.01.2025

Es stammt jedoch nicht von Martin Luther, sondern von Adolf Hitler.

Was haben die Juden falsch gemacht?

Tja. Sie waren zuerst da. Geopolitisch – vor den arabischen Stämmen einschließlich derer, die sich heute als Palästinenser bezeichnen, und erst recht vor den Muslimen. Ideologisch – mit ihrer älteren Religion waren sie den neuen, aufstrebenden, weil noch aggressiveren und totalitäreren Ideologien – erst Christentum und später Islam – im Weg. Sie waren »Andersdenkende« und damit hinderlich bei der Durchsetzung von Machtansprüchen.

So wurden die Juden zu einer Projektionsfläche des »Wir gegen die«, zum »Feind«, den jede identitäre und totalitäre Ideologie benötigt, um mit Angst Anhänger hinter sich zu vereinen. Je absurder diese Ideologie ist, je weniger wissenschaftlich und evidenzbasiert sie ist, je mehr sie auf Glauben statt auf Wissen beruht, je größer also ihr schlichter Bullshit-Gehalt ist, desto wichtiger ist das Vorhandensein eines solchen »Feindes«.

Der Philosoph Jean-Paul Sartre schrieb dazu schon 1946, der Antisemitismus sei eine der ältesten Verschwörungstheorien der Welt. »Antisemitische Ideologien neigen dazu, die Juden kollektiv für alle gesellschaftlichen Missstände verantwortlich zu machen. Die Juden werden als ›schuldige‹ Gruppe dargestellt, die im Geheimen und manipulativ die Weltwirtschaft, die Politik oder andere soziale Systeme kontrolliert. Diese paranoide Weltsicht ist jedoch völlig unbegründet und beruht auf nichts anderem als falschen Annahmen und Projektionen.

Den Antisemitismus sieht Sartre aber auch als Projektionsfläche der eigenen Ängste, Unsicherheiten und ungelösten Konflikte des Antisemiten. Menschen, die sich von der Gesellschaft oder dem Leben insgesamt entfremdet fühlen, suchen nach einem Sündenbock und ›der Jude‹ wird in diesem Kontext als idealer Projektionspartner gewählt, weil er als ›anders‹ wahrgenommen wird – er hat eine andere Religion, eine andere Kultur und wird somit als Außenseiter betrachtet.

So schreibt Sartre: ›Der Antisemit ist ein Mensch, der Angst hat. Nicht vor den Juden natürlich: vor sich selbst, vor seinem Bewusstsein, vor seiner Freiheit, vor seinen Trieben, vor seinen Verantwortlichkeiten, vor der Einsamkeit, vor der Veränderung, vor der Gesellschaft und vor der Welt; vor allem, außer vor den Juden. Er ist ein Feigling, der sich seine Feigheit nicht eingestehen will; ein Mörder, der seine Mordlust verdrängt oder zensiert, ohne sie zügeln zu können, und der trotzdem nur in effigie oder in der Anonymität einer Menge zu töten wagt; ein Unzufriedener, der sich nicht aufzulehnen wagt aus Angst vor den Folgen seiner Auflehnung.‹

(…)

Sartre betont, dass der Antisemitismus nicht primär aus einer echten Feindschaft gegenüber den Juden hervorgeht, sondern aus einer tieferen Notwendigkeit der Gesellschaft, den ›Anderen‹ zu schaffen – eine Gruppe, die als Feindbild dienen kann. Der Antisemitismus hat für die Gesellschaft eine funktionale Rolle, indem er eine Gruppe von Menschen stigmatisiert und dadurch von gesellschaftlichen oder politischen Krisen ablenkt. Allgemeiner gesagt: Um ein Problem in den Griff zu bekommen, muss man nicht selbst etwas tun, wenn man sich einfach gegen die Juden stellen kann. ›Si le juif n’existait pas, l’antisémite l’inventerait‹, schreibt Sartre. Wenn es den Juden nicht gäbe, würde ihn der Antisemit erfinden.«

https://hpd.de/artikel/antisemitismus-furcht-dem-menschsein-22738 ; letzter Aufruf: 29.01.2025

Und so schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei dem Niemöller-Zitat, denn »der Jude« – das können im Zweifel Sie sein, Ihre Kinder, Ihre Familien oder ich, wenn Sie und ich irgendwelchen Verbrechern, den Feiglingen, von denen Sartre sprach, deren Bullshit und deren Machtansprüchen im Wege stehen.

Deshalb ist der 27.01.1945 so wichtig und so aktuell, denn wenn spätpubertäre, selbsternannte Weltverbesserer nach dem Massaker von Islamisten an Juden am 07.10.2023, über das Moritz Pieczewski-Freimuth schreibt, »Islamischer Judenhass, palästinensischer Märtyrerkult und eine vom Islamischen Regime Iran aufgepäppelte Terrorarchitektur verliehen den Schergen ihre Selbstvergewisserung zum Blutrausch.« (https://hpd.de/artikel/hamas-bricht-feuerpause-grundsaetzliches-israels-ueberlebenskampf-gegen-den-terror-21812 ; letzter Aufruf: 29.01.2025), auf Berliner Straßen gehen und mit dem Slogan »from the river to the sea« zur Vernichtung Israels aufrufen, dann brüllen da Paulus, Ignatius, Ambrosius, Mohammed, Luther und Hitler mit … und all die anderen von Sartres Feiglingen, Mördern und Unzufriedenen.

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