Reichtum & Ausbeutung

Ist Gier doch keine Sünde?

Auch Nichtmitglieder müssen zahlen

»Ich bin da jetzt endlich ausgetreten. Diese Kinderschänder bekommen von mir kein Geld mehr.«

So inhaltlich falsch und geradezu putzig naiv dieser Satz auch ist – so oder so ähnlich haben Sie das vielleicht auch schon gehört; gerne noch garniert mit Absurditäten wie »Man kann auch ohne Kirche Christ sein« oder »Man kann auch an Gott im Himmel glauben, wenn das Bodenpersonal nichts taugt.«

Tatsächlich glauben (sic!) nicht wenige Menschen, dass sie den Reichtum der Kirchen nicht länger mehren, wenn sie keine Kirchensteuern mehr zahlen.

Ich weiß, dass das nun Folgende auf den ersten Blick fast wie eine Verschwörungstheorie aussieht. Es ist aber keine Verschwörungstheorie, sondern … Praxis. Seit über 200 Jahren. Kaum jemand weiß davon und wer doch schon davon gehört hat, ahnt zumeist nicht annähernd das ganze Ausmaß.

Am 09.10.2024 erschien das neueste »Schwarzbuch« des Bundes der Steuerzahler über die Verschwendung von Steuergeldern https://www.schwarzbuch.de/ . Über diese Liste von Skandalen kann man sich trefflich echauffieren, aber im Verhältnis zur größten und skandalösesten Steuerverschwendung sind das alles nur, um es mit den Worten eines Ex-Bankers zu sagen, Peanuts!

Jahr für Jahr zahlt nämlich der Staat hunderte Millionen aus allgemeinen Steuermitteln (die haben nichts mit der Kirchensteuer zu tun), also von Ihrem und von meinem Geld, sogenannte »Staatsdotationen« an die Kirchen.

Sie können aus diesen Vereinen austreten – abgezockt werden Sie von denen trotzdem weiterhin. Von unseren allgemeinen Steuern werden nämlich u.a. Gehälter und Pensionen von Bischöfen bezahlt.

Wie konnte das passieren?

Auch ich habe lange geglaubt, es handele sich bei den Staatsdotationen um Entschädigungsleistungen an die armen Kirchen, deren hart »erarbeitetes« Vermögen (z.B. Geld und Besitztümer ihrer Opfer wie »Ketzer« etc.) vom Staat beschlagnahmt worden war.

So lautet diese Mär: Napoleon ließ das Kirchenvermögen im Zuge der Säkularisierung enteignen. Im Reichsdeputationshauptschluss (RDHS) wurde 1803 beschlossen, die Kirchen dafür zu entschädigen und diese Entschädigungszahlungen werden bis heute fortgesetzt. Vom Staat. Von unseren Steuergeldern.

Klingt abenteuerlich.

Ist aber nicht einmal wahr.

Wahr daran ist nur die Säkularisierung durch Napoleon. Der hat viel zu wenige Denkmäler dafür erhalten.

Wahr ist, dass der RDHS in § 35 das Versprechen der diversen damaligen Landesherren enthält, sich nach den Säkularisationsverlusten im Rahmen der staatlichen Religionsfürsorge um die »Ausstattung der Domkirchen« sowie die »Pensionen der Geistlichkeit« zu kümmern.

Diese staatliche Religionsfürsorge ist ein Kennzeichen des Staatskirchentums, das mit der Revolution von 1919 in Deutschland abgeschafft wurde. In der Weimarer Reichsverfassung wurde deshalb festgelegt, dass die Kirchen das Recht erhalten, Kirchensteuer zu erheben (Art. 147 VI WRV) und dass bis zur Schaffung eines Kirchensteuersystems die Staatsdotationen aus der abgeschafften staatlichen Religionsfürsorge für diesen Übergangszeitraum weitergezahlt werden (Art. 173 WRV).

Dies sollte mittels einer Ablösungszahlung abgeschlossen werden, die nach Art. 138 WRV auf Gesetz, Vertrag oder sonstigen Rechtstiteln beruhen musste.

Es gibt keinen derartigen Rechtstitel.

Behauptet wird, dass der Reichsdeputationshauptschluss diesen Rechtstitel darstellt, aber dieser enthält an keiner Stelle eine wie auch immer geartete Entschädigungszusage an die Kirchen (vgl. https://weltanschauungsrecht.de/meldung/fehler-debatte-ueber-abloesung-staatsleistungen ).

Spätestens seit Einführung der flächendeckenden Kirchensteuer erfolgten Staatsleistungen an die Kirchen also rechtsgrundlos.

Diese sind jedoch nicht nur ohne rechtlichen Grund erfolgt – sie sind auch rechtswidrig.

Nach Art. 140 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 138 I 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) sind die Bundesländer verpflichtet, die Staatsleistungen durch die Landesgesetzgebung abzulösen. Dies ist jedoch seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht geschehen.

Statt nun jedoch, wie es beispielsweise im Zivilrecht auf der Grundlage der ungerechtfertigten Bereicherung üblich ist, die rechtsgrundlos bzw. rechtswidrig an die Kirchen gezahlten Gelder zurückzuverlangen, verhandeln staatliche Stellen im Geheimen (das Bundesinnenministerium hat die Herausgabe der vollständigen Unterlagen über die Beratungen bislang verweigert) mit den Kirchen, welche Summen man ihnen noch in den Rachen werfen möchte.

Dabei ist die Rede von knapp 11 Milliarden Euro!

Zusätzlich zu den von 1949 bis 2023 gezahlten 19,6 Milliarden Euro!

Ach ja, diese Zahlungen sind übrigens ohne Zweckbindung erfolgt und in ihrer Höhe in den meisten Bundesländern an die Besoldungsentwicklung der Landesbeamten gekoppelt.

Das eingangs genannte Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes ist empfehlenswert – oft zum Aufregen, manchmal zum Lachen (sarkastisch). Googeln Sie aber doch einmal »Staatsdotationen«! Dann vergeht Ihnen das Lachen. Googeln Sie anschließend noch »Missbrauchsskandal« und welcher Bischof Missbrauch gedeckt hat oder selbst ein Kinderschänder war und denken Sie dabei daran, dass Ihre Großeltern, Ihre Eltern und Sie selbst diesen Leuten die Gehälter und die Renten bezahlen – ganz egal, ob Sie Mitglied in einem dieser Vereine sind oder nicht! Hosianna!

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