Religionsunterricht
Macht & Privilegien

Wo kann ich Voodoo lernen?

Pflichtfach Bullshit-Unterricht

Möchten Sie lernen, wie der allmächtige Knarfaxl in sechs Minuten die Pizza erschaffen hat und den Pizzabäcker sowie später aus einer halben Olive die Pizzabäckerin, um sie dem überraschend gelangweilten Pizzabäcker als Gespielin zur Seite zu stellen? Denn am Anfang war der Pizzateig. Oder möchten Sie lieber solch lebensnotwendige Kenntnisse erwerben wie die Fähigkeit, ein halbes Hähnchen auf eine Weise zu schächten, die Tote aufweckt? Kein Interesse am Voodoo-Studium? Nein?

Aber wie man Jungfrauen schwängert, mit einem Fisch Tausende ernährt, übers Wasser läuft und wann man Menstruierende zu steinigen hat – das lassen Sie Ihre Kinder im „ordentlichen“ Schulfach Religion lernen? Weil der Schwimmunterricht nicht ausreicht und die lieben Kleinen ständig Fischstäbchen futtern wollen?

Natürlich nicht!

Sie finden, dass die Kinder im Religionsunterricht auch Gutes lernen könnten … Werte und so. Diese Bergpredigt z.B. und die Sache mit der Nächstenliebe. Letztere gilt lt. Jesus allerdings ausdrücklich nur für die eigenen Anhänger. Für die Andersgläubigen gibt es das Schwert, aber das wissen Sie ja alles längst, weil Sie im Religionsunterricht aufgepasst haben.

Mark Twain hat das wie folgt zusammengefasst: „Der Mensch ist das religiöse Tier. Er ist das einzige Tier, das seinen Nächsten wie sich selber liebt und, wenn dessen Theologie nicht stimmt, ihm die Kehle abschneidet.“

Das mit der Nächstenliebe nur für die eigene Klientel wurde in Ihrem Religionsunterricht gar nicht genannt? Oh, das lag sicher am Lehrermangel. Das wäre noch drangekommen – wie all die anderen Ungeheuerlichkeiten aus der Bibel auch – die Sklaverei, die Massenmorde, Vergewaltigungen usw., aber das Neue Testament ist da schon etwas friedfertiger. Gut, dieser Paulus hatte etwas gegen Frauen, aber das muss man natürlich vor dem historischen Hintergrund sehen.

Überhaupt darf man diese Dinge nicht zu wörtlich nehmen. Sonst könnte man ja auf dumme Gedanken kommen (s. „Warum darf ich keine Kanadier besitzen?“). Religionsunterricht hat auch etwas Gutes. Man kann damit den Punkteschnitt fürs Abitur aufbessern und … äh … bestimmt noch mehr.

Das dachten sich auch die Väter unseres Grundgesetzes. Mütter waren nicht vorgesehen, denn die sollten ja nicht lehren, sondern in aller Unterordnung still sein, wie schon Paulus in der Bibel sagt. Das Reichskonkordat, in dem der Vatikan und Hitler die Kirchenrechte zementierten, war noch gar nicht so lange her, als der erste Bundeskanzler und erzkatholische frühere Zentrums-Politiker Adenauer und seine Männerriege folgende Regel in die neue deutsche Verfassung schreiben ließen:

„Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.“ (Art. 7 III GG)

Theoretisch könnte man den „Religionsunterricht“ als kritische Auseinandersetzung mit Religion und die Beschäftigung mit den eigenen Wertvorstellungen verstehen. Das ist jedoch nicht die in Deutschland gängige Praxis. Vielmehr wird der Religionsunterricht von den Kirchen organisiert und als Instrument zur konfessionellen Indoktrination eingesetzt. „Alles nicht so schlimm“, könnte man sagen, denn es gibt ja die Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen – mit Verfassungsrang!

Der Begriff „bekenntnisfreie Schule“ stammt aus der Weimarer Republik und meinte sowohl Weltanschauungsschulen im eigentlichen Sinn, die der Vermittlung bekenntnisähnlicher nichtreligiöser Überzeugungssysteme dienten, als auch ganz einfach weltliche Schulen.

Eine Ausgestaltung in Form eines Schulgesetztes bzw. späterer Schulgesetze der Bundesländer erfolgte jedoch nicht. Ergebnis: Es gibt keine bekenntnisfreien Schulen.

Als Eltern haben Sie demnach nur die Wahl, ob Sie Ihre Kinder lieber katholisch oder evangelisch indoktrinieren lassen möchten und … halt! Das könnte sich ändern, denn in trauter Einigkeit tun sich christliche und islamische Verbände zusammen, um außerdem auch noch einen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht einzuführen. Die lieben Kleinen sollen wohl auch noch lernen, wie sie am besten an 72 Jungfrauen im Paradies herankommen. Die bisherige Praxis ist offenbar noch nicht gruselig genug.

Statt die Kopfe der Kinder mit Bullshit zu füllen, könnte man, wenn es denn den politischen Willen dazu gäbe, in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des BVerwG von 1992 durchaus eine Schule ohne konfessionellen Religionsunterricht zulassen, „sofern sie den Faktor Religion und Weltanschauung angemessen behandelt. Hier könnte das Prinzip der ‚pluralistisch-offenen Neutralität‘ greifen, indem (…) ‚die Schule die wesentlichen religiös-weltanschaulichen Richtungen ohne Wertung berücksichtigt, wobei die vermittelten Tatsachen zutreffen müssen und nicht einseitig ausgewählt sein dürfen.‘ Diesem Anspruch dürfte ein für alle Schüler gemeinsamer Ethikunterricht, der unter anderem auch religionskundliche Inhalte vermittelt, gerecht werden. (Dietz, Andreas: „Kein Religionsunterricht an öffentlichen Schulen!“, in: https://hpd.de/artikel/kein-religionsunterricht-an-oeffentlichen-schulen-22311 , 09.07.2024)

Pressemitteilung vom 3. Juni 2024:

Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ist der falsche Weg

Konfessionslosenverband IBKA e.V. fordert integrativen Unterricht in Lebensgestaltung, Ethik, Religions- und Weltanschauungskunde

Anlässlich der vom 3. bis 5. Juni 2024 an der Evangelischen Akademie Loccum stattfindenden Tagung zum Stand des islamischen Religionsunterrichts fordert der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA) ein Ende der Trennung der Schülerinnen und Schüler nach den Bekenntnissen ihrer Eltern.

Während die christlichen Kirchen im Angesicht ihres Mitgliederschwundes und des Rückgangs der Teilnehmerzahlen am Religionsunterricht vermeintlich selbstlos die flächendeckende Einführung eines islamischen Religionsunterrichts unterstützen, empfiehlt Andreas Dietz, der stellv. Landessprecher des IBKA von Niedersachsen-Bremen einen Blick auf die Zahlen:

„Stand 2022 waren noch 48 Prozent der Menschen in Deutschland Mitglieder einer der beiden großen Kirchen, Tendenz fallend. 44 Prozent waren konfessionsfrei, Tendenz steigend. Der Rest teilt sich auf Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften auf, wovon die Muslime freilich den größten Anteil ausmachen.

Angesichts dieser Entwicklung gerät der christliche Religionsunterricht an staatlichen Schulen immer stärker unter Druck. Doch statt ihn endlich abzuschaffen, soll er auf weitere Religionsgemeinschaften ausgedehnt werden. In der letzten Konsequenz würde das dazu führen, dass jede Klasse einmal pro Woche in nicht nur zwei, sondern bald mehrere Gruppen aufgeteilt wird, in denen man dann übereinander und nicht miteinander spricht.

Die Erwartung, dass islamischer Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht extremistischen Tendenzen im politischen Islam entgegenwirkt, ist und bleibt durch nichts belegt. Im Gegenteil muss man befürchten, dass islamistische Prediger den in ihren Augen weichgespülten Islam des schulischen Unterrichts in ihrem Wirkungskreis schnell wieder in ihrem Sinne zurechtrücken.“

Der IBKA vertritt die Auffassung, dass Religionsunterricht, der die Glaubensaussagen einer bestimmten Religion oder Konfession als bestehende Wahrheiten vermitteln soll, an staatlichen Schulen so fehl am Platz ist wie beispielsweise parteipolitische Werbung. Das gilt für christlichen und islamischen Religionsunterricht gleichermaßen.

Stattdessen schlägt der IBKA einen integrativen, religiös und weltanschaulich neutralen Unterricht in Lebensgestaltung, Ethik, Religions- und Weltanschauungskunde vor, an dem alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse gleichermaßen teilnehmen. Auch ein solcher Unterricht kann Alternativen zum Fundamentalismus aufzeigen. Er stünde – wie der Politikunterricht – mit beiden Beinen auf dem Fundament unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

https://ibka.org/de/pm-religionsunterricht-abschaffen

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert